Rotkäppchen Nacht der Chöre „Mich stört zunehmend eine Verflachung der Musik“ Musikproduzent Dieter Falk im Interview

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Am 10.11.2018 fand die von Rotkäppchen Sekt initiierte Nacht der Chöre im Lichthof ihrer Sektkellerei in Freyburg statt. Zusammen mit der Popband Revolverheld standen drei Chöre auf der Bühne, die nach einer Juryauswahl neben sieben weiteren Chören vorab im Online-Voting die meisten Stimmen erzielt haben. Als glückliche Gewinnerchöre waren don camillo aus München, Die neue Generation aus Palzem-Dilmar an der Mosel und The Right Key Gospel Choir aus Saalfeld bei Erfurt dabei.

Musikproduzent Dieter Falk hat als musikalischer Leiter die Rotkäppchen Nacht der Chöre mit konzipiert und die Chöre auf ihrem Weg nach Freyburg gecoacht und begleitet. Der Keyboarder, Arrangeur und Komponist gehört mit fünf ECHO-Nominierungen für über 20 Millionen verkaufte CDs als Produzent (u.a. für PUR, Pe Werner, Monrose, Paul Young, Patricia Kaas und viele andere) seit vielen Jahren zur Spitze der deutschen Musikszene. Der ehemalige Kirchenmusiker und Musikprofessor an der Robert-Schumann

Dieter Falk

Musikhochschule Düsseldorf, „Klavierspieler des Jahres 2012“ (Bundesverband Klavier) und mehrfacher „Keyboarder des Jahres“ (Fachblatt Musikmagazin) saß zwei Jahre in der Pro7-„Popstars“-Jury neben Nina Hagen und veröffentlichte 2007 mit „A Tribute to Paul Gerhardt“ eines der erfolgreichsten Instrumentalalben der letzten Jahre (40.000 verkaufte CDs).

Es hat mich sehr gefreut, als Gast bei der Rotkäppchen Nacht der Chöre live vor Ort dabei gewesen sein zu dürfen. Im Anschluss stand mir Dieter Falk Rede und Antwort.

Ruckhaber: Wie ist dein persönlicher Bezug zur Chormusik? Hast du früher selbst im Chor gesungen?
Falk: Meine Mutter war Chorleiterin eines Kirchenchors in dem ich vor dem Stimmbruch Sopran & Alt, und später Tenor und Bass gesungen habe. Das volle Programm: Bach´s Matthäuspassion, Weihnachtsoratorium etc…

Wie kam es zu deiner Mitwirkung bei der Rotkäppchen Nacht der Chöre?
Nach meinem LUTHER Chorprojekt wo über 30.000 Sänger und Sängerinnen mitgesungen haben, kamen etliche Anfragen aus der Industrie. Die Rotkäppchen Idee einer „Nacht der Chöre“ mit bekanntem Headliner und drei Gewinnerchören fand ich sehr charmant und habe deshalb zugesagt.

Warum fiel die Auswahl auf Revolverheld? Hast du vorher bereits mit der Band zusammengearbeitet?
Ich hatte noch nicht mit Revolverheld zusammengearbeitet, war auch an der Auswahl des Acts mitbeteiligt. Uns allen gefiel Folgendes bei Revolverheld sehr gut: Band mit sympathischer Ausstrahlung, viele Hits die nachsingbar sind, schon lange erfolgreich auf Bühnen und im Radio unterwegs, hoher Bekanntheitsgrad und vieles mehr…


Revolverheld in concert

Wie hast du die Arbeit mit den drei Gewinnerchören erlebt?
Als sehr angenehm. Ich habe die drei Chöre jeweils an einem Tag besucht und mit ihnen gearbeitet. Erst einmal muss ich sagen, dass mir die Arbeit auch sehr einfach gemacht wurde: die klasse Chorleiter haben das Material sehr gut vorbereitet, so dass wir bei den gemeinsamen Proben ausschließlich am „fine-tuning“ gearbeitet haben. Dynamik, Phrasierung, Betonungen, Gospel-„Attitude“ etc…
Revolverheld wiederum hat es mir einfach gemacht, weil ich die Live-Versionen der gemeinsamen Songs als FoH-Mixe vorab bekommen, und dazu dann die Chorarrangements geschrieben habe. Diese Arrangements bekamen dann die Chöre als Noten und – falls gewünscht – auch als „Singback“ Versionen mit der jeweiligen Stimme lautgemischt.
Ich habe also im Vorfeld Layout-Chöre eingesungen und damit die Arrangements hörbar gemacht. In den Instrumental-Teilen habe ich dann neue Chorteile reingeschrieben, damit der Chor auch gut beschäftigt ist und nicht nur als „back-up“-Chor von Revolverheld wahrgenommen wird. Das Ganze habe ich natürlich vorab mit Revolverheld abgesprochen.


Dieter Falk: „Chorsingen ist sexy!“

Wie beurteilst du generell die Kombination von einem Chor und einer Pop-Band auf der Bühne? Hat ein Chor hier akustisch eine gerechte Chance?
Das liegt im geschmacklichen Ohr des Zuhörers. Natürlich ist so ein Event nicht mit einem A-Cappella-Chorkonzert zu vergleichen. Ich denke das war auch allen Beteiligten – vor allem auch den Chören – im Vorfeld klar. Wenn man mit einer rockigen Band zusammen auf der Bühne steht, ist wenig Platz für Chor-Soloteile, vielleicht sogar a cappella.
Ziel der Veranstaltung war und ist es, den Gewinnerchören und den Zuhörern ein ganz besonderen Tag zu schenken: einmal mit einer der erfolgreichsten deutschen Bands zusammen auf der Bühne zu stehen. Ich habe versucht, den Chören in allen Titeln Soloteile reinzuschreiben, wo im Prinzip ausschließlich Drums und Chor stattfinden. das waren dann die Mitmachteile in den Revolverheld-Hits. Dort war der Chor wirklich kurzzeitig Solist.

Das Auswahlverfahren der 3 Finalchöre wurde durch Votings im Internet entschieden. Dieses Verfahren steht häufig in der Diskussion, da hier nicht die Qualität, sondern die Quantität der mobilisierten Fans eine Rolle spielt. Wie denkst du darüber?
Wir haben ja in einer Jury die 10 Finalisten ausgesucht und daraus wurden dann im Internet-Voting die drei Hauptgewinner. Diese Mischung aus verschiedenen Entscheidungsfindungen ist – finde ich – schon ok und alle drei Chöre haben ihre Sache super gemacht.


don camillo mit Revolverheld

Rückblickend auf die Rotkäppchen Nacht der Chöre: Was würdest du bei einer möglichen Wiederholung im Folgejahr anders machen?
Ich denke es ist noch „Luft nach oben“ in der Vorbereitung der ganzen Veranstaltung. Ich möchte allerdings den Verantwortlichen ein dickes Kompliment machen: Alle sind mit viel persönlichem Engagement an das Ganze gegangen. Und nach fast 40 Jahren in der Musikbranche kann ich sagen: Das ist nicht immer so.

Viele Menschen kennen dich von deiner Juror-Tätigkeit bei Popstars. Welchen Einfluss hat diese TV-Präsenz auf deine anschließende Karriere gehabt? Besteht noch Kontakt zu Nina Hagen, Detlev Dee Soost oder Sängern von Monrose?
Mich wundert wirklich, dass mich auch 10 Jahre nach den Sendungen immer noch Leute auf der Straße ansprechen. Für meine Konzerte – auch als „Falk & Sons“ hilft TV-Präsenz immer. Es kommen einfach mehr Leute in die Konzerte. Nun bin ich immer noch bei einigen großen TV-Sendern als Musikexperte unterwegs und deswegen nicht total von der Glotze verschwunden. Aber „Popstars“ war damals schon ne große Nummer. Eigentlich fand ich Castings-Shows immer cheesy. Popstars fand ich als Doku ganz gut und letztlich wollte ich nur zwei Jahre neben Nina Hagen sitzen 🙂
Mit Nina hatte ich danach noch einige gemeinsame Konzert-Auftritte, mit Detlev ab und zu ein Telefonat. Mit den Monrose Mädels ebenfalls. Bahar bekam dann von mir eine Hauptrolle in einem meiner Musicals. Mandy habe ich ebenfalls später für so etwas angefragt, aber da hatte sie leider keine Zeit, weil sie selbst neben Kollege Bohlen bei DSDS saß…


Die neue Generation – Der etwas andere Chor mit Revolverheld

Wie schätzt du eine Wiederaufnahme von Popstars im dt. TV ein? Hätte die Castingshow als Revival wieder eine Chance auf dem Markt?
Ich glaube nicht. Der Höhepunkt der Castingshows ist vorbei. Selbst Voice hat nicht mehr die Quoten wie früher. X-Factor auf SKY neulich lief vollständig am Zuschauer vorbei. DSDS kämpft ebenfalls und „Supertalent“ ist nur peinlich. Ich guck mir das alles nicht mehr an. Ab und zu bleibe ich bei Voice hängen, weil die Blind-Auditions z.T. wirklich gut sind. Dort stört mich allerdings das permanente „pitchen“ der Vocals. Alles ist gerade gerechnet und wenn es mal ausnahmsweise schief ist, dann wollte es die Redaktion so haben, weil die Coaches den schiefen Gesang – selten genug – angesprochen haben.
An die Gewinner von alledem kann man sich sowieso drei Monate später nicht mehr erinnern. Es ist halt ein reines TV-Unterhaltungsformat. Die Stars von morgen zu finden funktioniert nur in absoluten Ausnahmefällen. Trotzdem rennen alle in Castingshows in der Hoffnung auf etwas mehr Öffentlichkeit.

Würdest du nochmals als Juror in einer Castingshow mitmachen, z.B. bei The Voice of Germany?
Sicherlich nicht. Voice würde mich bestimmt auch nicht fragen.


The Right Key Gospelchoir mit Revolverheld

Was folgt nun nach den 10 Geboten, Moses und Luther? Verspürst du Druck, ein ebenso erfolgreiches Folgewerk auf den Markt zu bringen?
Druck hast Du immer, allerdings werde ich mit zunehmendem Alter auch gelassener und suche mir meine Spaß-Projekte aus. In zwei Jahren bringen Michael Kunze und ich ein neues Weihnachts-Chormusical auf die Bühne: sehr gospel-ig, wie es sich zu Weihnachten gehört. Am 5.12.2020 ist Premiere mit großem Chor und 2021 gehts dann auf Tournee. Allerdings mit einem neuen Konzertveranstalter.

Welche musikalischen Projekte stehen für dich in der nahen Zukunft an?
Nächstes Jahr kommt zum runden Geburtstag meine Autobiographie. Da kommt die Musikbranche auch nicht ganz ungeschoren weg, natürlich auch mit Selbstkritik, denn immerhin bin ich seit 40 Jahren in eben dieser Branche tätig. Aber mich stört zunehmend eine Verflachung der Musik allgemein. Irgendwie trauen die Musikverantwortlichen dem Hörer nichts mehr zu, denn wir werden mit musikalischen Dünnbrettbohrern und Kurzzeiterhitzern beschallt. Evergreen oder „long-time-Hits“ werden das alle nicht mehr.
Mit diesem Buch werde ich auf Konzertlesungsreise gehen und alle Anekdoten mit Harry Belafonte, PUR, Patricia Kaas, Paul Young undundund am Klavier lesen und erzählen.
Seit einem Jahr gibt es ein Projekt, das ich mit initiiert habe: Rock Chor 60 plus. In 14 Städten üben dort Menschen als Chor die Songs ein, mit denen sie groß geworden sind. Einmal im Jahr machen wir dann mit allen zusammen einen großen Event. Da kann man dann viele Gesichter glänzen sehen.


Gemeinsames Finale

Du bist selbst als Professor an Hochschulen in Düsseldorf und Witten tätig. Wie hat sich deinem Empfinden nach das Musikstudium rückblickend auf dein eigenes verändert?
Es ist vielseitiger geworden, sicherlich auch, weil selbst im klassischen Schulmusikstudium Popmusik viel mehr Raum findet. Und das ist auch gut und wichtig so, denn ein guter Schul- und Kirchenmusiker muss heute Klassik und Pop können, sonst hat er keine Chance von den Jugendlichen ernst genommen zu werden. Leider haben das noch nicht alle Verantwortlichen verstanden, trotz viel Bewegung in die richtige Richtung. Über die Vor- und Nachteile von Bachelor- und Master Studiengängen könnte ich abendfüllend diskutieren, aber das würde hier zu weit führen.

Was würdest du musikalisch gerne noch ausprobieren wollen, was du bisher noch nicht getan hast?
Bouw. Ich habe schon so viel Tolles erlebt und als Fazit bleibt, dass in Zukunft die Arbeit mit Chören bei mir ein Schwerpunkt bleiben wird. Gleich probe ich mit meinen Wittener-Studierenden – einem wirklich tollen Gospelchor – einen Bachchoral in Gospelversion ein, den wir dann am 10.12. an der Düsseldorfer Robert Schumann Musikhochschule mit meinen dortigen Studierenden in einem Musikproduktionsprojekt aufnehmen werden. Dazu gibts dann am Schluss eine Session am Klavier, Weihnachtsgebäck und vielleicht auch Glühwein…
Dann kann Weihnachten kommen.

#nachtderchöre
www.falkmusic.de
www.rotkaeppchen.de/nacht-der-choere/

Fotos: Rotkäppchen/Morris Mac Matzen