Die D-Ausbildung im Chorsingen bietet jungen Chormitgliedern die Möglichkeit, ihre musikalischen Kompetenzen zu erweitern, um kompetent mit ihrer Stimme umzugehen und selbständig Stücke zu erarbeiten.
Die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen und die Deutsche Chorjugend haben eine bundesweite Rahmenrichtlinie für die D-Ausbildung veröffentlicht. Die einheitlichen Mindestanforderungen für diese erste Ausbildungsstufe von Chorsänger*innen wurden gemeinsam mit Engagierten aus den Chorjugenden und Mitgliedsverbänden des Deutschen Chorverbandes sowie Fachexpert*innen entwickelt. Erschienen ist eine Broschüre, in der die Ausbildungsinhalte der D-Ausbildung klar und verständlich aufbereitet sind, ergänzt um Handreichungen und Impulse für die Chorpraxis von Prof. Friederike Stahmer, Yoshihisa Matthias Kinoshita und Prof. Robert Göstl.
Die Broschüre ist digital abrufbar und kann kostenfrei in gedruckter Form über die Deutsche Chorjugend bestellt werden! Die Veröffentlichung der Broschüre ist ein großer Schritt zur bundesweiten Umsetzung der D-Ausbildung im Chorsingen.
Ziel ist es, alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen und Vorkenntnissen gleichermaßen zu fördern, sodass sie am gemeinsamen Singen und Musizieren teilhaben und ihre individuellen Ideen und Kompetenzen entwickeln und einbringen können.
Ich habe mich mit Prof. Robert Göstl über den langen Weg bis zur D-Ausbildung im Chorsingen unterhalten:
Wo und wann entstand die Idee, eine D-Ausbildung für Chorsänger*innen zu entwickeln?
Meine erste Begegnung mit diesem Gedanken ist schon gar nicht mehr wahr… das muss 1998 gewesen sein. Ich wurde vom ACV nach Trossingen entsandt und dort haben Vertreter*innen aller Chorverbände über eine Vereinheitlichung der vorhandenen Ausbildungssysteme bzw. die Neuschaffung von fehlenden Komponenten gesprochen. Mich hat das damals schon fasziniert, bei den Bläsern z.B. gab es das längst und war Standard. Zunächst wurde nichts daraus, dann wollte ich 2011 mit Übernahme des Chorjugendvorsitzes wieder ran an das Thema und es wäre fast was geworden… na ja 😊. Und jetzt machen es die Jungen besser, jetzt ist die Rahmenrichtlinie da und das Programm wird durch die Decke gehen, da bin ich sicher!
Warum unterrichtet ihr die D-Ausbildung? Was ist eurer Meinung nach das Tolle an der D-Ausbildung?
Es ist der Traum einer jeden Chorleiter*in, kompetente Sänger*innen vor sich zu haben und auf einem gemeinsamen Level arbeiten zu können. Die vier Bereiche Stimmpraxis, Stimmbildung, Rhythmik und Gehörbildung sowie Musiklehre decken genau das ab, was ich mir an Kompetenz wünsche. Alle wissen mit der eigenen Stimme umzugehen, alle können bis zu einem gewissen Grad vom Blatt singen, alle wissen über ihre Stimme Bescheid, alle trainieren regelmäßig Gehör und Rhythmusgefühl auch im Bezug zur Notation von Chorpartituren und alle singen leiser, wenn da „decresc.“ steht. Ich muss nicht mehr so viel erklären, im besten Fall nicht einmal so viel in Papageienmethode vormachen und komme schnell zu dem, was alle wollen: Musik!
Was haben die Sänger*innen davon? Welchen Effekt für Chor und Sänger*in erhofft ihr euch von der D-Ausbildung?
In der Idealvorstellung haben alle Sänger*innen eines Chores ein gleiches Mindestlevel – sagen wir mal D2. Das Probentempo wird eigentlich meist von den „schwächsten Gliedern“ bestimmt und deshalb wird es in einem solchen Chor deutlich schneller vorangehen und damit von vorneherein mehr Spaß machen. Auch Stücke mit höherem Schwierigkeitsgrad sind auf einmal kein Problem mehr; ich glaube wirklich, dass ein Chor mit lauter D-Ausgebildeten sein blaues Wunder erleben wird, was alles geht. Und das bringt Freude, Motivation und Begeisterung, die ausstrahlt.
Warum startet ihr (gerade) jetzt in die D-Ausbildung?
Die Rahmenrichtlinie ist im Oktober 2020 fertig geworden, genau rechtzeitig zu einem Multiplikatorenseminar an der Bundesakademie Trossingen. Im selben Raum, in dem ich 1998 die ersten Gespräche darüber geführt habe, haben knapp 20 Chorjugendbegeisterte daran gearbeitet, wie die Richtlinie nun mit pädagogischem Leben erfüllt werden kann und wie die Inhalte lebendig an die jungen Leute in unseren Chören vermittelt werden können – das hat großen Spaß gemacht und war für mich ohne Übertreibung die Erfüllung eines lang gehegten Traumes. GERADE jetzt starten wir, weil sich sehr viele der Inhalte online wunderbar vermitteln lassen. Wer also die Corona-Chor-Fastenzeit sinnvoll überbrücken will, bildet jetzt seine Leute zu kompetenten D-Sänger*innen aus und startet dann durch, wenn wir wieder singen dürfen.
Welche Angebote kann die Chorszene in den Jahren 2021 und 2022 rund um die D-Ausbildung erwarten?
Wir haben vor kurzem ein Pilotprojekt mit einem Kinderchor 5. bis 8. Klasse an einem Gymnasium in meiner neuen Heimat Wernigerode gestartet und eines in meiner alten Heimat Deuerling in Bayern. Hier sammeln wir Woche für Woche Erfahrungen und geben diese sicher regelmäßig an Interessierte weiter. Auch freue mich darauf, bald Vorschläge für Prüfungsaufgaben in der Hand zu halten; daran arbeitet ein kleiner Kreis der Trossingen-Truppe und eine von mir betreute Studierende schreibt dazu ihre Bachelorarbeit.
Vom 19.-21. November 2021 findet das nächste Qualifizierungswochenende für D-Ausbilder*innen in Halle statt. Dem vorangestellt sind 3 Online-Module. Weitere Infos dazu >>hier.
Zusätzlich gibt es Videotutorials zur D-Ausbildung Mit diesen Videos kann man auch ganz einfach und spielerisch von zuhause aus die Lektionen der D-Ausbildung üben: In kurzweiligen und leicht verständlichen Tutorials lernt man, eigene Kompetenzen im Singen zu erweitern und noch bewusster mit der eigenen Stimme umzugehen.
>> Website Robert Göstl
>> Programmseite D-Ausbildung bei der Deutschen Chorjugend
>> Rahmenrichtlinie D-Ausbildung
Beitragsbild: © Dieter Wagner