Das ist mal ambitioniert! Der Kölner Komponist Jan Schreiner bringt auf „So Nah Und Doch So Fern“ zwei sehr unterschiedliche Leipziger Ensembles zusammen, um neben dem offensichtlich Trennenden auch Verbindendes herauszuarbeiten: Die Bigband Spielvereinigung Sued sowie das A-Cappella-Sextett Sjaella. Die Unterschiede fallen natürlich sofort ins Auge – und ins Ohr! Eine Bigband ist auch unverstärkt unglaublich laut und in der Regel mit Musik befasst, die sehr durch ihre Rhythmik charakterisiert ist. Sjaella hingegen steht schon seit Jahren für die nuancierte und differenzierte Klanggestaltung von sechs Frauenstimmen im Zusammenwirken mit dem sie umgebenden Raum. Ein Potenzial für Nähe entsteht allerdings in der Bereitschaft beider Ensembles, in Repertoire-Fragen die Grenzen des Gängigen zu überschreiten. Oder, wie es in der Projektbeschreibung heißt, „die Suche […] nach noch nicht dagewesenen Klängen und Strukturen, die Freude am Experimentieren“ – und genau dort soll der „rote Faden“ der Kompositionen Schreiners liegen. Entsprechend schwer ist dieses verbindende Moment, der im Pressetext beschworene „kleinste gemeinsame Nenner“ für den Hörer zu identifizieren.
Aber: Es gibt magische Momente! Wenn sich das Vokalensemble gegen Ende des Songs „You Ain’t As Smart As You Think You Are“ aus dem bis ins Pianissimo ersterbenden Bigband-Chaos erhebt und eine Art Abgesang intoniert, unterlegt von verstreuten, aber irgendwie passenden Klängen der Bläser, dann entsteht im Zusammenklang etwas, das über die Summe der Töne weit hinausgeht. Das funktioniert aber tatsächlich nur, weil Schreiner der Bigband in dieser Passage eine Zurückhaltung auferlegt, die das Gesungene wirklich hörbar und damit erst sinnvoll gestaltbar macht. In vielen anderen Momenten – wie z. B. über weite Strecken der recht konventionellen Latin-Nummer „Snooze Until You Lose“ – sind die Sängerinnen so hörbar an ihren Mikrofonen vereinzelt, dass die hohe Klangkompetenz des Vokalensembles nicht so recht zur vollen Entfaltung kommt und kommen kann.
Die wirklich schönen Lyrics zu diesem Album stammen übrigens von zwei bekannten Figuren der deutschen Vokalszene: Veronika Morschner (Of Cabbages And Kings u. a.) und Maike Lindemann (VOXID u. a.) haben sich vom titelgebenden Motto „So Nah Und Doch So Fern“ inspirieren lassen.
Label: Fuga Liber / Outhere Music
52min
Ensembleklang: 4 Sterne
Interpretation: 4 Sterne