Die erste EP des bereits mit einigen Preisen (Deutsches Chorfest, Scala Vokal) prämierten jungen Berliner Frauenvokalquartetts Gretchens Antwort umfasst sechs Titel ihres aktuellen Bühnenprogramms «LiebesLeben»: fünf Studiowerke, ergänzt um einen Livemitschnitt aus dem Pfefferbergtheater Berlin im März 2017.
Produziert wurde die EP von Joachim Rust, der selbst als Sänger und Dozent in der populären Chor- und A-cappella-Szene bundesweit bekannt ist und sich zunehmend einen Namen als Musikproduzent mit eigenem Tonstudio macht.
Die sechs gewählten Stücke bilden ein recht weites stilistisches Spektrum ab, werden aber durch den gut wiedererkennbaren Ensembleklang fast durchgängig zusammengehalten.
Zum Einstieg haben sich die vier Frauen den Adele-Hit «Send My Love»
im Arrangement von Jennifer Kothe (OnAir) ausgewählt. Ein frischer, guter Einstieg, in dem sie sich stimmlich stark präsentieren und Lust auf mehr machen. Es folgt die selbstarrangierte, ausdrucksstarke Ballade «Kissing You» von Des’ree – hier ergreifen die Sängerinnen die Gelegenheit, ihre Klasse zu demonstrieren. Dynamik, Timing, Blending: Diese Vier können in der oberen Liga mitspielen. Ganz anders klingt das Quartett dann aber im Hildegard-Knef-Klassiker «Für mich soll’s rote Rosen regnen»: Der Arrangeur Jonathan Mummert (baff!) spielt hier mit extrem weiten Lagen, die Stimmen liegen zum Teil sehr weit auseinander. Das gelingt vor allem in den Passagen recht gut, in denen die Melodie von Anne Stabler sehr tief und jazzig unter einem kompakten Oberstimmensatz gesungen wird Im Gesamteindruck fällt der Song aber aus dem oben erwähnten Ensembleklang etwas heraus. Mit einer Adaption von «Dido’s Lament» aus der Purcell-Oper «Dido and Aeneas» hat Michael Eimann (Slixs) ein sehr anspruchsvolles und genre-untypisches Arrangement beigesteuert, das die stimmlichen und musikalischen Qualitäten der vier Frauen unterstreicht. Etwas ärgerlich bleibt dabei allerdings der Anflug von Überproduktion am Ende des Improvisationsteils. Es folgt «Zeig deine Muskeln» – im Original von Laing, hier wieder hervorragend arrangiert von der OnAir-Sängerin Jennifer Kothe und gesanglich wunderbar von Gretchens Antwort umgesetzt. Positiv fällt hier zudem der Einsatz von Mouth Percussion auf. Den Abschluss bildet der hinreichend bekannte Hit «Männer» von Herbert Grönemeyer. Die Liveversion verdeutlicht, dass die Mädels sich auch live nicht verstecken müssen und eine gute Verbindung zum Publikum aufbauen können.
Die gesamte Aufmachung der CD wirkt sehr charmant, die Grafikdesignerin Jessica Lehmann hat hier ganze Arbeit geleistet. Im Booklet haben die vier Sängerinnen jeweils Briefe an das «liebe Leben» geschrieben, die kleine Einblicke in ihre Persönlichkeiten gewähren. Sie schreiben selbst, dass die Musik auf die Gretchenfragen des Lebens oftmals die beste Antwort ist. Mit ihren jungen Stimmen überzeugen sie und machen Lust auf mehr – live oder auch auf einer vollständigen CD.
Ensembleklang ****
Interpretation ****
Repertoirewert ****
Hofa, 22:44 Minuten
www.gretchensantwort.de
Rezension geschrieben von Nina Ruckhaber für die Chorzeit (6/2018)
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