Choir@Home

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Herausforderungen angehen und Lösungen schaffen

Die COVID-19-Pandemie brachte beispiellose Herausforderungen für viele Lebensbereiche mit sich, darunter auch für das Chorsingen. Aufgrund der sozialen Distanzierungsmaßnahmen experimentierten Chöre mit verschiedenen Online-Plattformen wie Zoom, Webex, Jamulus o.ä.[1]. Diese Erfahrungen zeigten jedoch, dass gemeinsames virtuelles Singen nur teilweise zufriedenstellend realisierbar ist. Technische Einschränkungen und fehlende Best Practices verhindern bis heute den effektiven Einsatz von Online-Group-Singing.

Als Reaktion auf diese Herausforderungen wurde das Erasmus+ Forschungsprojekt „Online Choirs: How to carry out virtual choir rehearsals with the help of digital tools“[2] von Univ. Prof. Dr. Heike Henning (Universität Mozarteum Salzburg/Innsbruck), Dr. Janine Hacker (Universität Liechtenstein) und Prof. Dr. habil. Alexander Carôt (Hochschule Anhalt) initiiert. Dieses Projekt zielt darauf ab, den aktuellen Stand in der Online-Chorpraxis zu eruieren, technologische Lösungen zu entwickeln und Leitlinien für effektive Online-Chorproben zu erstellen. Mithilfe dieser Erkenntnisse kann der virtuelle Raum eine Chorpraxis in Präsenz ergänzen, anreichern und in speziellen Fällen auch ersetzen.

Strategie und Ziele des Projekts

Zunächst wird der Status quo im Kontext von Online-Proben konsolidiert, wobei neben dem technischen Stand auch die während der Pandemie gemachten Erfahrungen und entstandenen Lösungsansätze berücksichtigt werden. Die Leitlinien, die aus dieser Analyse und der anschließenden eigenen Erprobungsphase entwickelt werden sollen, umfassen technologische Konfigurationen, chorpädagogische Parameter, soziotechnische Perspektiven sowie Strategien zur Verbesserung der Technologieakzeptanz und Steigerung sozialer Interaktion. Diese werden so aufbereitet, dass sie an die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Chöre anpassbar sind. Um die entwickelten Lösungsansätze zu testen und zu verfeinern wurde ein Online-Laborchor eingerichtet, der insgesamt mindestens 25 Online-Proben durchführen wird. Das regelmäßige Feedback der Teilnehmer*innen wird genutzt, um die Ansätze kontinuierlich zu optimieren. Die Ergebnisse des Projekts richten sich an sämtliche für die Chorarbeit relevante Zielgruppen. Grundlegende Voraussetzung ist, dass sowohl Chormitglieder als auch Chorleitende für das Online-Singen motiviert werden können und, damit einhergehend, Offenheit und Akzeptanz für den Einsatz von Technologie gegeben sind. Für Chorleitende müssen didaktische Prinzipien an die virtuelle Umgebung angepasst und ggf. auch neu gedacht werden. Institutionen wie Chorverbände und Bildungseinrichtungen können mit Hilfe von Workshops oder gar Lehrveranstaltungen mithelfen, digitale Kompetenzen zu fördern und zu stärken. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden entsprechend in Informationsveranstaltungen, einschließlich Online-Konzerten, demonstriert und über repräsentative Kanäle geteilt. Darüber hinaus werden Handreichungen erstellt, um möglichst viele Anspruchsgruppen zu erreichen und ihnen die Durchführung von Online-Proben zu ermöglichen.

Erprobung des virtuellen Raumes für Online-Singen

Der Choir@Home Online-Laborchor wurde im Sommer 2023 ins Leben gerufen, um die konzipierten technologischen, chorpädadogischen und soziotechnischen Ansätze in der Praxis zu testen und zu evaluieren. Voraussetzung zur Teilnahme am Laborchor war zunächst lediglich eine stabile und kabelgebundene Internetverbindung. Im Forschungsprojekt wird mit der „Low-Latency“ Software Soundjack[3] gearbeitet, welche eine Datenübertragung mit niedriger Latenz ermöglicht. Die dazugehörige Hardware besteht aus einem kleinen Computer, der sogenannten Fast Music Box (FMB)[4] mit einem Touch-Display sowie einem Headset (Kopfhörer und Mikrofon). Dieses Set wurden allen Teilnehmenden zur Verfügung gestellt.

Soundjack erlaubt prinzipiell eine nahezu verzögerungsfreie musikalische Zusammenarbeit. Sicherlich mussten gerade zu Beginn der ersten Probenphase kleinere und größere technische Hürden überwunden werden. Die Einrichtung sowie die adäquate Nutzung von Hardware und Software wurde deshalb vorab in eigens dafür initiierten Onlinemeetings angeleitet. Von musikalischer Seite her erschien in diesem Setting der Verzicht auf den Blick zur Chorleitung und deren Dirigat gewöhnungsbedürftig. Es gilt, verstärkt auf akustische Signale zu reagieren. Dabei wird das Timing  zumeist über die Klavierbegleitung, Playbacks oder durch Metronompulse gesteuert. Die gewohnte Anleitung über das Dirigat (als visuelles Signal) ist in Online-Chorproben bis dato technisch noch nicht befriedigend (latenzfrei) möglich. Bei der Durchführung der Laborchorproben hat man sich dennoch zusätzlich dazu entschlossen, die Online-Plattform Zoom für den visuellen Austausch zu nutzen. Dies hat sowohl soziale als auch musikbezogene Gründe: Sowohl die sängerische Sicherheit, Haltung,  Motivation und Beteiligung als auch die Stimmung innerhalb der Chorgruppe kann so leichter erspürt werden, was wiederum wesentlich für die Chorarbeit ist.

This project was initiated by Dr. Janine Hacker (University of Liechtenstein), Prof. Dr. Heike Henning (University Mozarteum Salzburg) and Prof. Dr. Alexander Carôt (Anhalt University of Applied Sciences). It is funded within the Key Action 2 (Cooperation Partnerships) of the ERASMUS+ programme of the European Union. The project is led by the University of Liechtenstein.

Intention, Progression und Visionen

Die Faktoren Globalisierung und Digitalisierung spielen zunehmend auch in der Musik im Allgemeinen und in musikpädagogischen Gegebenheiten im Besonderen eine Rolle. Das bereits vorhandene Potential muss adäquat genutzt und mittels wissenschaftlicher Methoden zielgerichtet – musikalisch, technisch wie auch soziotechnisch – weiterentwickelt werden. Dabei geht es nie darum, Präsenzproben zu ersetzen, sondern vielmehr Möglichkeiten hinsichtlich kultureller Öffnung und Teilhabe zu etablieren. Formate wie Hybridproben, die Verbindung von Einzelpersonen oder chorübergreifenden Konzeptionen stehen im Fokus der Untersuchungen. Aber auch Gedanken wie die Einbeziehung von Personen in Regionen ohne Chorangebote oder bei generationenübergreifenden Programmkonzeptionen spielen eine Rolle für die Weiterentwicklung. Um das alles überzeugend realisieren zu können, müssen Klanggefüge und räumliche Empfindungen beim Online-Singen weiterhin verbessert werden. Das Singen mit Headset und Mikrofon erzeugt bereits ein gewisses Gefühl von Verbundenheit, doch die akustische Verschmelzung der Stimmen wie in einem physischen Raum fehlt. Auch das räumliche Empfinden, insbesondere die Platzierung und Integration von Stimmgruppen, birgt immer noch großes Entwicklungspotential in sich. Damit virtuelles Chorsingen aber möglichst effektiv stattfinden kann, bleibt die Realisation der latenzfreien Bildübertragung für das Dirigat oberstes Ziel. Denn dann wäre ein nächster logischer Schritt die Einführung dieser Praxis in den Curricula der Aus- und Weiterbildungsstätten.

Fazit

Dieses Forschungsprojekt möchte maßgeblich dazu beitragen, das virtuelle Chorsingen zu einer praktikablen und angenehmen Alternative beziehungsweise Ergänzung zu traditionellen Präsenzproben zu machen. Durch die Identifizierung des aktuellen Stands der Technik, die Entwicklung effektiver Technologielösungen und die breite Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse zielt das Projekt darauf ab, bestehende Barrieren zu überwinden und die Einführung von Online-Chorpraxen zu fördern. Damit stünden Chören und Chorleitungen künftig verschiedene Wege der Chorpraxis offen und die Chorlandschaft würde zu einem Ort kultureller Tradition und (digitaler) Innovation.

Weitere Informationen finden Sie unter https://choirathome.com

Artikel von Eva-Maria Leeb/Prof. Dr. Heike Henning


[1] https://www.soundjack.eu

[2] Die «Fast Music Box» basiert auf dem Raspberry Pi und verfügt über einen Touchscreen und ein Audio-Interface.

[3] https://zoom.us,
https://www.webex.com/de/index.html
https://jamulus.io/de/

[4] Das Forschungsprojekt „Online Choirs: How to carry out virtual choir rehearsals with the help of digital tools“ wird im Rahmen der Leitaktion 2 (Kooperationspartnerschaften) des ERASMUS+ Programms der Europäischen Union gefördert (Projekt-Nr.: LI01-KA220-HED-000086928).