Pop-Up: 4

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Wenn der in meinen Augen beste Popchor Deutschlands eine neue CD veröffentlicht, sollte man sich das sicher nicht entgehen lassen. Der ca. 30-köpfige Studentenchor der Hochschule für Musik Detmold steht seit seiner Gründung 2010 unter Leitung von Prof. Anne Kohler. Mit dem Album „4“ legen sie Ende 2019 erstmals eine CD vor, die unabhängig von ihrer Musikhochschule produziert wurde: Aufgenommen, gemischt und gemastert von Julius Gass, der bereits mit einigen Chor- und A-Cappella-Produktionen positiv aufgefallen ist.

Die CD enthält einen bunten Mix aus 11 Pop-A-Cappella-Songs. Auffallend ist das „who is who“ der Arrangeure auf dieser CD: Oliver Gies (Maybebop), Darmon Meader (New York Voices), Line Groth (Vocal Line/Postyr), Stefan Flügel (ex ONAIR), Leopold Hoepner (ex Delta Q) sowie Carsten Gerlitz. Das für mich effektvollste und kreativste Arrangement stammt mit „River“ von Hörbänds Joshua Bredemeier. Abgesehen natürlich von Gota von der Real Group, dem Chor-Klassiker schlechthin, welchen man selten so präzise und kraftvoll in der dt. Chorszene zu hören bekommt. Kraftvoll, ja, „powerful“ – das Wort, das einem im ersten Song „Make Me Feel“ (super begleitet von Beatboxer Simon Becking!) begegnet, beschreibt tatsächlich die gesamte CD.

Heute kommt quasi kein dt. Popchor mehr um die dänischen Einflüsse von Vocal Line herum. Warum deren Stücke jedoch in der hiesigen Chorszene 1:1 auf CD übernommen werden, bleibt mir ein Rätsel. Trotzdem ist „Here’s to Life“ natürlich schön gesungen, fällt aber gegen die anschließende rhythmische Interpretation von „Bang Bang“ ab: Stefan Flügels herausragendes Arrangement setzt mal wieder Maßstäbe, großes Lob auch an die Rapperin Thea Henken. Einen kleinen Ausflug in den Jazz macht der Chor mit dem Big-Band-Feeling-Song „Devil May Care“ von Oli Gies. Hier ist der tiefe Walkingbass besonders gefragt – und könnte für meinen Geschmack noch etwas präsenter klingen. Als absolutes Juwel in der Songauswahl hat Anne Kohler auf dieser CD mit „Silence of Time“ eine eher unbekannte, aber wundervoll berührend interpretierte Ballade von den New York Voices platziert. Und ein Gospel darf natürlich auch nicht fehlen: Bei „Noah“ glänzen vor allem die Solisten. Darauf folgt eines der musikalisch stärksten Stücke und mit Felicitas Ammer die fantastischste Solistin der CD: „You and I“ von Stevie Wonder in Manuel Grundens Chor-Adaption des Grammy-gekrönten Arrangements von Jacob Collier – das man allerdings gerade beim Höhepunkt des Stücks ein wenig vermisst. Fast schon erschreckend nahe kommt Solist Simon Herten übrigens Jacob Colliers Stimmfarbe – sehr gute Solistenauswahl. „Still Feel“ könnte als perfekter Ohrwurm die CD abschließen, doch hat man verständlicherweise eine Ballade zum ruhigen Ausklang ausgewählt: „Wish You Were Here“ war anscheinend nicht nur für Pink Floyd ein besonderer musikalischer Moment.

Die CD überzeugt mit hervorragenden Arrangements und einem präzise ausgeglichenen, homogenen Chorsound, nahezu perfekt technisch ausgesteuert von Julius Gass. Man hat mal wieder das Gefühl, dass alles, was Anne Kohler anfasst, zu Gold wird: Pop-Up bewegt sich zurecht an der Spitze der populären Chorszene in Deutschland!

Laufzeit: 45:06 min
Stücke: Make Me Feel, River, Gøta, Here’s To Life, Bang Bang, Devil May Care, Silence of Time, Noah, You and I, Still Feel, Wish You Were Here

http://www.pop-up-detmold.de/

Rezension von Nina Ruckhaber, geschrieben für die Chorzeit – Das Vokalmagazin (Nr. 73 / Juli/August 2020)